Sebastian Schnuelle – Mein Iditarod Rennen
Tagebuch des Bluekennel Teams 2006
Iditarod 2006 Teil II
Der Lauf nach Mc Grath hat wenig Besonderes und ist auf einer viel befahrenen Skidoo Strecke, mal auf dem Kusko River, mal Überland. Wir hatten ziemlich frischen Seitenwind und der Trail war oft eingeweht. Auf dem Trail standen 10 Meilen vor Mc Grath die ersten Schilder. Iditasport 10 M. Das Iditasport startet vor dem Iditarod und die Iditasportler sind noch verrückter als wir. Die LAUFEN diesen Trail, manche „nur“ 300 Meilen bis Mc Grath, die völlig Kranken ganz bis nach Nome, in ca. 24 Tagen. Dagegen sind wir Musher glatt noch normal. Später im Rennen, Nähe Ruby, sollte ich dann auch einige von diesen Iditasportlern die nach Nome latschen, überholen.
Gern hätte ich in Mc Grath meine 24 Stunden Pflichtpause gemacht. Zum einen kam ich hier genau in der Mittagshitze (minus 10°) an, zum anderen war ich am verdursten und obendrein hat Herring leicht auf dem rechten Vorderfuß gehumpelt, eben dieser Trizepsmuskel, der mir in Nikolai entgangen war. Nur leider hatte ich hier nicht genug Zeugs, vor allem nicht genug Massageöl und keine Fleece Decken hingeschickt.
Die 24 Stunden Pause können wir in einem beliebigen Checkpoint machen. Nur muß man vorher auch das so geplant haben und genug Hundefutter und Ausrüstung zu dem jeweiligen Checkpunkt geschickt haben. Mein Plan sah vor, hier ohne anzuhalten durch zu fahren, mein Food Drop Sack hatte zwar das Mindestgewicht von 60 lb, aber vor allem fehlten Massageöl, Fleecedecken und Pferdefleisch.
Es sind von hier nur 18 Meilen bis Takotna. Offiziell 25 Meilen, aber die offiziellen Angaben stimmen eh nie und sind immer übertrieben. Herring wollte ich aber auch nicht droppen. Hier Pause machen und dann nur 2.5 Stunden nach Takotna fahren, um dann dort für 24 Stunden anzuhalten war auch nicht sinnvoll. Bei meinem kurzen Stopp hier hat dann ein Tierarzt bei Spook auch noch ein Problem festgestellt. Spook und Herring sind meine beiden größten Hunde, beide 70 Pfund. Mein erster Gedanke war natürlich gleich wieder, alles scheiße, ich scratche. Dann wiederum: Von hier bis nach Takotna sind das 18 Meilen, das ist so weit, wie von meiner Haustüre zu meinem Walltent am 37 Mile See. Diese Stecke fahren bei mir die Gäste mit schwer beladenem Schlitten und 5 Hunden. Dann werde ich diese Distanz auch mit Herring und Spook im Schlitten nach Takotna fahren können. Wieder Gedankenspiele. Na gut, dann fahre ich nach Takotna, irgendwie werde ich da schon hinkommen. Hingekommen bin ich dann auch, in 2hr 36 Minuten, nur 16 Minuten langsamer als letztes Jahr. Geholfen hatte auch, das zeitgleich mit mir der Bill Pinkham losfuhr und der, obwohl er keine Hunde im Schlitten hatte, auch nicht schneller war. Allerdings bin ich mehr oder weniger auch die gesamte Strecke mitgerannt und war schweißgebadet in Takotna angekommen.
Takotna ist ein 40 Einwohner Dorf welches malerisch am Takotna River liegt. Der Ort lebt im Sommer vom Bergbau, im Winter scheint er FÜR das Iditarod zu leben. Genau das wissen auch die meisten Musher und deshalb machen hier viele Ihre 24 Stunden Pause. Es waren laut Angaben des Checkers ca. 30 Gespanne bereits hier. Ich hatte den gleichen Parkplatz wie letztes Jahr, der auch ganz nah neben dem Haus liegt, in dem ich schlafen konnte, schlafen in einem richtigen Bett.
Zuerst galt es natürlich wieder die Hunde zu versorgen, und ich war hoch erfreut Annette Krilller zu sehen, eine meiner Lieblingstierärzte, denn genau wie Vern Starks hat Annette richtig Ahnung, vor allem wenn es um Hundemassage geht. Und genau auf dem Gebiet hatte ich ja gerade einige Probleme. Herring sah aber nach den paar Stunden im Schlitten schon wieder ganz gut aus und ich war sehr froh ihn nicht in Mc Grath zurück gelassen zu haben.
Das aller Beste an Takotna ist das Essen. 5 Sterne kann ich dem nur geben. Jan ist die gute Seele, die die Küche mit Hilfe des gesamten Ortes 24 Stunden, besetzt hält. Das Hauptmenu für die Musher war dieses Jahr Steak mit Lobster, Pommes und Salat. Und nur um das noch mal in Erinnerung zu rufen. Das wird hier alles von den Einwohnern freiwillig gemacht und finanziert. Natürlich hatte nach dem Steak auch noch ein Burger Platz und etwas Kuchen ging auch noch. Es gab sogar Diet Coke, was ich ja bekanntlicher Maßen sonst täglich literweise trinke.
Mein Timing für den 24 hr Layover war perfekt. Während dieser Pflichtpause wird auch die Startzeit Differenz verrechnet. Um 16.43 hr angekommen, durfte ich am darauf folgenden Tag um 18.23 weiter fahren. Ideal, eine ganze Nacht Pause und noch einmal Zeit für einen 4 Stunden Mittagsschlaf. Viele andere Musher sind schon früh am nächsten Morgen weitergefahren, so auch Lance Mackey der beim Frühstück zu mir meinte: „Sebastian ich muß Dir eine lustige Geschichte erzählen. Als ich im Quest in Stepping Stone meinen 3. Teller Lasagna gegessen habe, meinten die Gastgeber. Mensch Lance Du hast je einen Riesenappetit, aber noch lange nicht so schlimm wie Sebastian. Als ich jetzt eben mir einen Nachschlag geholt habe hat Jan gemeint, Mensch Lance Du haust ja was zu Essen weg, aber lange noch nicht so schlimm wie Sebastian.“ Wir konnten uns vor Lachen kaum halten, allerdings hat mir das sehr zu denken geben, ich sollte vielleicht doch meine Eßgewohnheiten etwas zügeln.
Die große Nachricht hier in Takotna war die bevorstehende Kältewelle. Ein Pilot, der gerade vom übernächsten Checkpunkt zurückkam, hat verkündet, daß es dort bereits minus 45 ° sei. Na prima und ich muß genau in die Nacht hinein fahren, und besser noch genau in der Nacht draußen Campen. Vielleicht ist mein Timing nun doch wieder nicht so ideal. So schnell können sich die Stimmungen im Rennen ändern. Es ist konstante Flexibilität gefragt. Mentale Hochs sind unmittelbar von mentalen Tiefs gefolgt, oft nur Minuten auseinander. Mit allen 13 Hunden bin ich wieder aus Takotna losgefahren, die liefen erst nicht so toll und ich mußte das Gespann etwas umstellen, die Partner tauschen, das bringt manchmal frischen Wind. Gleichzeitig habe ich den Hunden, die kurzes Fell haben, Bauchprotektoren und auch noch Hundedecken angezogen. Das hätte ich auch vor der Abfahrt im Checkpunkt machen können. Die Strecke nach Ophir ist wunderschön und geht in die Berge. Auch wieder viel kürzer als angegeben ca. 20 Meilen lang. Der Himmel hat orange, blau und dunkelviolett geleuchtet, ein sicheres Anzeichen das es kalt wird.
In Ophir habe ich dann kurz angehalten und mehr Hundefutter eingeladen. Je kälter desto mehr Fett füttern wir. Je wärmer desto mehr Fleisch oder wenn es ganz warm wird Fisch. Auch habe ich einen halben Ballen Stroh aufgeladen damit die Hunde es beim Campen in der Nacht auch warm haben. Mit Rick Casillo hatte ich vereinbart, nach ca. 3 Stunden aus Ophir weiter zu fahren und dann anzuhalten. Ich hatte gehofft, eine Stelle zu finden, auf der noch Stroh von einem der vorderen Gespanne lag. Alle guten Rastplätze waren aber belegt. Unterwegs kam ich auch an einem riesigen Feuer vorbei. Schon von weiter Entfernung konnte ich einen orangen Feuerball sehen. Das waren Ryan Redington, Peter Bartlett und Brian Mills, denen wohl eindeutig zu kalt war. Nach 4 Stunden, um 1.30 nachts bin ich dann auch „rechts ran“ gefahren, leider auf einer Skidoo Spur ohne Stroh. Es ist oft gar nicht so einfach, einen guten Rastplatz zu finden. Idealerweise hat der Wasser, dann braucht man kein Schnee schmelzen. Auch sollte er geschützt sein wenn es windig wird, hier war weit und breit kein Baum zu sehen. Und damit man überhaupt vom Trail weg kommt, sollte dort schon eine Skidoo Spur sein, denn sonst muß man sich durch den Tiefschnee wühlen. Die Skidoo Spur war super. Das haben die hier im Iditarod gut im Griff und die Trailbreaker wissen wo wir meist Pause machen und fahren bewußt einige Spuren in den Tiefschnee. Im Quest können wir von so viel Mitdenken nur träumen.
Es war schlichtweg saukalt. Ein halber Ballen Stroh ist zu wenig für 13 Hunde, wenn die immer paarweise liegen. Also habe ich die in 3 großen Haufen liegen lassen, 4,4,5. Das ging auch gut und alle haben sich schnell auf dem Strohbett eingerollt. Das Schnee Schmelzen hat ewig gedauert und auch viel mehr Alkohol verbraucht als sonst, ich hatte gerade so genug mit. Alle Hunde haben gut gefressen, was sehr wichtig ist. Als Nachschlag zu der Fleisch-Trockenfutter Suppe habe ich allen dann noch ein Stück Schweinespeck gegeben. Bei so kalten Nächten lasse ich die Hundedecken an den Hunden. Die Bauchwärmer muß man ausziehen, damit die Hunde besser pinkeln können. Nachdem die Monster sich dann wieder eingerollt hatten, habe ich über jeden noch eine Fleece Decke gelegt, diese sind doppelt genäht und damit recht dick und etwas schwer, aber warm.