Sab Schnuelles Iditarod 2006 Teil II

Sebastian Schnuelle – Mein Iditarod Rennen
Tagebuch des Bluekennel Teams 2006

Iditarod 2006 Teil II

Der Lauf nach Nikolai ist mit 70-75 Meilen für Iditarod Verhältnisse recht lang. Die meisten Musher unterteilen diese Strecke in 2 Läufe. Etwa in der Mitte liegt das so genannte Buffalo Camp, ein Trapperzelt mit Holzofen. Von Rohn sind es ca. 35 Meilen (56 Km) dort hin, diese Meilen sind durch den Farewell Burn und die Buffalo Tunnels, ein gefürchtetes Teilstück, weil dort oft kein Schnee liegt und wir meilenweit über Steine, Eis und Gras fahren müssen.

Vom Buffalo Camp, was dieses Jahr sogar bewirtet war, von dem Besitzer und seinem Sohn, sind es weitere ca. 40 Meilen (64 km) bis Nikolai, diese deutlich einfacher und flacher. Wenn man das Buffalo Camp verläßt, steht nach einer Meile ein handgemaltes Holzschild: „last hill till Nikolai, 40 M“.

Dieses Jahr hat es unterwegs die gesamte Zeit leicht geschneit, und es lagen ca. 30 cm Schnee. Die Bedingungen waren damit besser als in den meisten Jahren. Mein Plan war die gesamte Stecke in einem Run zu fahren, denn kurze Läufe heißt hohe Geschwindigkeit und für Geschwindigkeit hatte ich zu viele Probleme im Team. Ein langer „March“, wie wir das hier nennen, schien mir besser geeignet. Das Team war in einem recht soliden Trab und die ersten 35 Meilen haben genau 4.5 Stunden gedauert, ca. 7.5 Meilen pro Stunden. Die nächsten 40 Meilen sollten jedoch knappe 6 Stunden dauern und so wurde es mit 10hr 20 Minuten ein längerer Lauf als ich eigentlich gehofft hatte. 2 Stunden vor Nikolai haben mich auch Hans Gatt und Jamie Nelson überholt.

Ich war froh in Nikolai anzukommen, wieder $400 verdient, Gedankenspiele… die aber in dem Moment funktioniert haben. Der lange Lauf schien den Hunden sogar eher gut getan zu haben, denn beim Massieren der Gelenke konnte ich eine deutliche Verbesserung feststellen. Auch hatten wir jetzt ca. 260 Meilen (416 km) insgesamt zurückgelegt. Das ist ungefähr die Schallmauer bei den Langdistanz Rennen, die Hunde habe da zwischen drin immer ein „Loch“. Man kann das am besten mit einer langen Wanderung bei uns Menschen vergleichen. Am Anfang tut uns auch alles weh, aber nach 3 Tagen haben sich die Muskeln an die Aktivität gewöhnt und es geht leichter. Bei den Hunden ist das nicht anders und über diese Schwelle schien mein Gespann nun hinweg zu kommen. Leider konnte ich hier keinen Tierarzt finden. Es waren sehr viele Gespanne hier, die meisten aber gerade am Abfahren, mir also sehr weit voraus und hatten damit ganz klar bei den Untersuchungen Priorität. Die Dorfbewohner haben uns sehr geholfen und uns nicht nur das Stroh und den Food Drop gebracht, sondern auch heißes Wasser vorbereitet zum Füttern der Hunde. Das ist Luxus und beschleunigt die Zeit, die wir zum Versorgen der Hunde brauchen.

Es ist schon faszinierend. Das gesamte Iditarod basiert auf der Hilfe von Freiwilligen. Menschen die Ihre Dörfer für uns zugänglich machen. Diese Ortschaften sind alle weit jenseits des Straßennetzes und nur per Flugzeug im Winter zu erreichen. Da kommt jeden Winter eine Horde von Mushern und Hunden (ca. 1200 Hunde), die dann noch einen Tross an Journalisten, Tierärzten und Rennorganisatoren mit sich ziehen, lassen Unmengen an Stroh, Hundescheiße und Müll zurück, nur um dann nach wenigen Stunden mehr oder weniger wortlos wieder zu verschwinden. Zum Dank dafür wird uns geholfen, wird die Schule für einige Tage unterbrochen, damit wir dort schlafen können. Es werden uns Essen gekocht für die wir nicht bezahlen müssen. Die Einheimischen werden aber von der Organisation auch nicht bezahlt, sondern das Geld geht aus deren eigenen Tasche.

Die Begeisterung dieser Menschen ist ansteckend und ist ein großer Teil, der mich immer wieder zum Iditarod zurückziehen wird. Ohne das Iditarod würde ich nie die Gelegenheit haben, einen Einblick in diesen Teil der Welt zu bekommen.

Aber genau die angesprochene Schule konnte ich nicht finden, und das obwohl ich schon einmal hier war und der Ort mit 100 Einwohnern auch nicht gerade groß ist. Es war 2 Uhr Nachts und ich mal wieder viel zu müde. Ich bin sinnlos durch Nikolai gelatscht bis mich irgendjemand in die richtige Richtung gewiesen hat. Im Tran hatte ich dann meine Themoskannen im Schlitten liegen gelassen, war aber viel zu ausgelaugt, um noch mal zum Schlitten zurück zu laufen. Ich hatte sowieso zu dem Zeitpunkt keine Ahnung wie ich dort hin zurückkomme. Nach viel zu kurzen 4 Stunden Schlaf, was für Iditarod Standards wiederum lange ist, bin ich wieder zu den Hunden gegangen, die gleich um die Ecke lagen. Wie konnte ich mich dort verlaufen?

Leider konnte ich wieder keinen Tierarzt auftreiben, aber ohne eine Unterschrift im Vet Book dürfen wir den Checkpunkt nicht verlassen. Die Vets arbeiten in Schichten, und ich schien gerade diesen Schichtwechsel zu erwischen. Mit den Untersuchungen läuft das so: Idealerweise findet die sofort nach dem Ankommen im Checkpunkt statt. 2 Ärzte pro Team. Die schauen sich die Hunde schon an, wie sie in den Checkpunkt hinein laufen. Dort können sie sehen, ob jemand humpelt, wie aktiv die Hunde sind und ganz wichtig, welche Farbe der Urin hat. Die meisten Hunde pinkeln gleich nach dem Ankommen: Dunkelgelb oder gar braun nix gut, Hund ist dehydriert. Hellgelbe Pisse ist gut, Wasserhaushalt stimmt.

Nachdem ich das Team geparkt habe und alle Booties ausgezogen sind, startet ein Tierarzt mit der Untersuchung vorne am Gespann, einer hinten. Wenn diese Untersuchung gleich nach dem Ankommen stattfindet, hat das auch den Vorteil, daß ich während der ganzen Pause auch Gelegenheit habe, an eventuellen Problemfällen zu arbeiten. Kurz vor dem Abfahren noch eine Muskelzerrung zu entdecken ist ziemlicher Mist.

In unserem Vetbook, das wir immer dabei haben müssen, werden die Befunde dann eingetragen. Jeder Hund ist dort mit seiner Mikrochip Nummer aufgelistet und auch mit Buchstaben verstehen. 34A war Tang, 34 L war Gas etc., denn die Namen von den Hunden kennen die Ärzte natürlich nicht. Wir können durch einen Checkpunkt ohne Untersuchung durchfahren, aber auch das muß unterschrieben werden. Dann gibt es auch ein Teil Exam, was nur kurz ist. Zufolge der Rennregeln müssen wir mindestens jeden 3 Checkpunkt ein Vollexam haben.

Zum Glück lief mir Vern Starks, der aber gar nicht auf „Schicht“ war über den Weg. Da Vern so unglaublich gut ist und viel Erfahrung hat, habe ich ihn dann doch noch mein gesamtes Team untersuchen lassen. Wer weiß welchen Arzt ich im nächsten Checkpunkt erwische. Bei Herring konnte er eine ganz leichte Schwellung im Trizeps Muskel feststellen, was mir selbst wo ich es wußte, nicht möglich war überhaupt zu fühlen. Erfahrung halt. Mit allen 13 Hunden bin ich dann um 8 Uhr, etwas später als geplant, Richtung Mc Grath aufgebrochen. Nach einer Stunde hatte ich dann Durst, aber da fiel mir wieder ein, daß ich meine Thermoskannen vergessen hatte aufzufüllen, das sollten sehr durstige 6 Stunden werden. Normaler Weise trinke ich in 6 Stunden 2 Liter. Neben Schlafmangel ist oft auch zu wenig Trinken ein Faktor, warum Musher im Rennen nicht mehr richtig funktionieren.

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